Bodenfraß gegen Ernährungssicherheit in Österreich

Aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels auf das Produktionspotential der Böden in Österreich ist davon auszugehen, dass die Importabhängigkeit für landwirtschaftliche Produkte zur Ernährungssicherung zunehmen wird. Die langjährige Forderung nach einer Verringerung der noch immer hohen Flächeninanspruchnahme und der Definition von Zielen mit konkreten Zahlen. Das auf Basis der Bodenqualität entwickelte Konzept der wertvollen landwirtschaftlichen Produktionsflächen könnte dabei ein wichtiges Instrument für die Raumplanung sein, um auch der Ernährungssicherung mehr Gewicht einzuräumen.

Verbaute Flächen sind auch nicht in der Lage Wasser zu speichern und führen zu gefährlichen Hochwässern

Neben der Ermittlung und Kennzeichnung wertvoller Produktionsflächen ist noch eine Reihe von weiteren Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssituation notwendig. Zu erwähnen sind in jedem Fall eine Anpassung von Fruchtfolge und Kulturzeiten, die Auswahl hitze- und trockenresistenter Sorten, die Sicherstellung der Wasserversorgung in Trockengebieten, aber auch eine mögliche Änderung der Ernährungsgewohnheiten. Diese Maßnahmen sind sicherlich im Kontext mit der globalen Vernetzung der Agrarproduktion und des Agrarhandels zu sehen und könnten in weiterführenden Studien hinsichtlich ihres Wirksamkeitspotentials und der Umsetzungsmöglichkeiten betrachtet werden. Unabhängig davon sollten aber dringend Maßnahmen gesetzt werden, die die Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Flächen deutlich reduzieren.

Ertragspotenzial für alle Nutzungen

Die Selbstversorgung aus eigener Produktion kann als Maß dafür gelten, ob die derzeit genutzten Flächenressourcen ausreichen, um die Ernährungssicherheit basierend auf den aktuellen Essgewohnheiten ohne Importe zu gewährleisten. Die in der Tabelle 1 angeführten Erträge für die bedeutendsten Kulturarten sind den Grünen Berichten der Jahre 2012-2016 entnommen und werden als Mittelwerte dargestellt. Der Verbrauch ergibt sich aus den Angaben in der Versorgungsbilanz der Statistik Austria und den in diesem Projekt ermittelten Verbrauchszahlen für die tierische Produktion. Bei der überwiegenden Mehrheit der für Österreich bedeutenden Kulturarten liegen die Jahreserträge deutlich über den jährlichen Verbrauchszahlen (z.B. Getreide, Mais, Zuckerrübe, Kartoffeln). Bei den Ölsaaten und Soja hingegen liegt der Selbstversorgungsgrad für Österreich wie überall in der EU teilweise deutlich unter 100%, weshalb der Import dieser Produkte – erleichtert und unterstützt durch Binnenmarktregelungen – derzeit einen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherheit in Österreich leistet.

Bodenverbrauch in Österreich

Im Rahmen der offiziellen Berichtspflichten wurden die Landnutzungsänderungen für den Zeitraum 2010 bis 2050 wie folgt abgeschätzt: „Der Verlust an landwirtschaftlichen Produktionsflächen wird bis zum Jahr 2050 rund 365.000 Hektar ausmachen. Davon gehen etwa ein Drittel zu Gunsten der Waldwirtschaft und zwei Drittel zu Gunsten der Siedlungsentwicklung.“ Von der Umwandlung zu Wald sind überwiegend Grünlandflächen betroffen, von der Umwandlung in Siedlungen überwiegend Ackerflächen.

Geschätzte Veränderung der Landnutzung im Zeitraum 2010 bis 2050

Die Verringerung der landwirtschaftlichen Produktionsfläche durch Versiegelung und Verbauungbedeutet neben dem Verlust an Produktionspotential auch eine Zerstörung der vielen weiteren Funktionen des Bodens wie der Lebensraumfunktion, der Wasserspeicherfunktion und der Filter-, Puffer- und Transformationsfunktion. Ebenfalls betroffen ist die Funktion als Kohlenstoffspeicher, die vor allem in Bezug auf den Klimawandel von Relevanz ist. Das Umweltbundesamt geht von einem Verlust von rund 200.000 Hektar Fläche aus, die nicht mehr zur CO2-Speicherung zur Verfügung steht.

Der aktuelle (2022) Bodenverbrauch pro Tag in Österreich

Der aktuelle (2022) Bodenverbrauch in Quadratmeter pro Kopf in Österreich

Änderung des Ertragspotenzials durch den Klimawandel:

Es ist davon auszugehen, dass der Klimawandel einen wesentlichen Einfluss auf die Produktivität der Böden haben wird. Zur Modellierung der Auswirkungen wurden zwei Klimaszenarien (ein moderates und ein „worst case“) getestet. Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse basieren auf der Verwendung des plausiblen „worst case“ Szenarios, das die möglichen Veränderungen am deutlichsten erkennen lässt. In diesem Fall zeigt sich ein Temperaturanstieg bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts um rund 3,5 Grad im Sommer und etwa 2,5 Grad im Winter, verglichen mit dem Referenzzeitraum 1981-2010. Insgesamt muss man in dieser Realisierung mit einem Anstieg der Jahresmitteltemperatur im Alpenraum von knapp 8 Grad ausgehen, wobei im Sommer sogar 10 Grad erreicht werden können. Gleichzeitig zeigt dieser Lauf eine sukzessive Abnahme des Jahresniederschlags um etwa 20%. Eine derartige klimatische Entwicklung würde sicherlich eine weitgehende Änderung der Ökosysteme im Alpenraum, aber auch der Lebensbedingungen für die Menschen bedeuten. Die nachfolgenden Abbildungen 2 und 3 zeigen beispielhaft die Änderungen der zwei Klimaparameter mittlere Jahresdurchschnittstemperatur und klimatische Wasserbilanz (letzterer entspricht dem Verhältnis zwischen Niederschlag und Verdunstung).

Entwicklung der Bodenbonität

Der Anstieg der Temperatur und die Änderung der Niederschlagsmenge und -verteilung in den bereits aktuell relativ trockenen Gebieten im Osten und Nordosten des Bundesgebietes, führen zu erheblichen Verringerungen der Bodenbonität. Weiters sind der Donauraum, das Wald- und Mühlviertel, das Südburgenland und nahezu die gesamte Südoststeiermark von einer ähnlichen Entwicklung betroffen. Auch im Kärntner Zentralraum und Lavanttal sind Minderungen der Ertragsfähigkeit zu erwarten. Inneralpin sind in aktuell bereits als Trockengebiete bekannten Tälern (z.B. Oberes Inntal, Metnitztal) ebenfalls Einbußen zu erwarten. Keine negativen Effekte zeigen sich in der Molassezone nördlich der Donau. Die dort dominierenden schweren, tonreichen Böden kompensieren die zu erwartenden Temperaturerhöhungen bei ausreichend hohen Niederschlägen. Im niederschlagsreichen nördlichen Voralpenraum des Salzburger Flachgaus, des Innviertels, der alpinen Täler sowie im Bodenseeraum wirken sich die steigenden Temperaturen positiv auf das Ertragspotential der Böden aus.

Insgesamt lässt das Ergebnis der Auswertung für das Klimamodell „CMIP5“ massive und großflächige Beeinträchtigungen der Bodenbonität für Österreich erwarten, wobei insbesondere die derzeit ertragreichsten Flächen im Nordosten und Osten betroffen sind. Eine gänzliche Kompensation durch Ertragssteigerungen im Voralpenland, in alpinen Gebieten und im Westen ist unwahrscheinlich.

Die Abbildung 5 zeigt die Änderungen des Ertragspotentials der Hauptproduktionsgebiete, Auch hier zeigt sich, dass eine Änderung der Klimaverhältnisse wie in CMIP5 angenommen einen massiven Rückgang der Ertragsfähigkeit in fast allen Produktionsgebieten Österreichs bedeuten würde. Dabei wäre das Nordöstliche Flach- und Hügelland am stärksten betroffen (-48 % im Vergleich zur Referenzperiode). Ebenfalls stark beeinträchtigt sind das Südöstliche Flach- und Hügelland sowie das Wald- und Mühlviertel. Begünstigt wären nur die Hoch- und Voralpen aufgrund des Temperaturanstieges bei ausreichendem Niederschlag. Im Durchschnitt ist für Österreich eine Reduktion der Ertragsfähigkeit um rund 19% zu erwarten.

Ackerland

Die höchsten Trockenmasse-Kornerträge werden derzeit in den Hauptproduktionsgebieten Alpenvorland und Südöstliches Flach- und Hügelland, die geringsten im Nordöstlichen Flach- und Hügelland erzielt. Die Ertragsunterschiede ergeben sich im wesentlichen aufgrund der Bodeneigenschaften. Die Produktionspotentiale wurden für die wesentlichsten Feldfrüchte abgeschätzt. Dabei wurden sowohl die Referenzperiode (1981 – 2010) als auch die zukünftige Periode (2036 – 2065) modelliert. Die Berechnung des mittleren Ertragspotentials für die Referenzperiode ergab Werte, die mit der realen Ertragssituation weitgehend übereinstimmten. Die modellierten Ergebnisse für die zukünftige Periode konnten damit entsprechend plausibilisiert werden.

Für die Periode 2036 – 2065 zeigt sich vergleichbar zur Entwicklung der Bodenbonität basierend auf den Parametern der Bodenschätzung (Kapitel 5.2.2) eine deutliche Abnahme der Trockenmasse- Erträge in allen Haupproduktionsgebieten, insbesondere im Nordöstlichen Flach- und Hügelland (Abbildungen 6 und 7). Dabei sind sowohl Standorte mit geringer als auch hoher Wasserspeicherfähigkeit betroffen.

Grünland

Die Ergebnisse der Ertragsmodellierung (Modell SpatialGRAM) und den daraus errechneten relativen Ertragsveränderungen zeigen einen sehr deutlichen Klimaeffekt in der Grünlandbewirtschaftung. Während im Flachland mit massiven Ertragseinbußen zu rechnen ist, kommt es im Berggebiet zu einer deutlichen Ertragssteigerung. Diese ist in erster Linie auf höhere Temperaturen in Verbindung mit ausreichender Wasserversorgung zurückzuführen. Die in Abbildung 7 gezeigten Ergebnisse beziehen sich nicht nur auf Grünlandstandorte, sondern auf das gesamte Bundesgebiet.

Auswirkung auf die Ernährungssicherung

In Tabelle 3 sind die Ergebnisse aus der Modellierung des Produktionspotentials für die zukünftige Periode 2036 – 2065 dem prognostizierten Verbrauch gegenübergestellt. Im Vergleich zur aktuellen Situation (siehe Tabelle 1) zeigt sich eine deutliche Zunahme der Anzahl negativer Salden.

Einerseits sinkt das Produktionspotential unter den veränderten Klimabedingungen, andererseits steigt auch der Verbrauch an Nahrungsmitteln aufgrund des lt. Statistik Austria zu erwartenden Bevölkerungswachstums. Unter der Annahme des extremen Klimaszenarios und einem unveränderten Anbauverhalten kann eine autarke Produktion von sieben Kulturarten nicht mehr gewährleistet werden. Bei Weizen, Triticosecale (Kreuzung aus weiblichen Weizen und männlichem Roggen), Körnermais und Kartoffeln bedeutet dies, dass die derzeit gegebene Selbstversorgung nicht mehr gesichert ist, bei Sonnenblumen, Raps und Sojabohnen bedeutet es eine weitere Verschlechterung des Versorgungsgrads.

In Anbetracht der unterschiedlichen Ansprüche an den Boden sollte jedenfalls darauf geachtet werden, die für die Produktion wertvollsten landwirtschaftlichen Flächen zu erhalten. An dieser Stelle ist es auch wichtig darauf hinzuweisen, dass auch weniger produktive Böden weitere Funktionen erfüllen, die für das gesamte Ökosystem und den Menschen von Bedeutung sind („ecosystem services“).

Um die für die landwirtschaftliche Produktion wertvollsten Flächen zu ermitteln, wurde ein auf Expertenwissen basierender, regionaler Ansatz gewählt. Grundlage dafür war die „regionale Bodenklimazahl“, die als das gewogene Mittel aus der Summe aller Ertragsmesszahlen eines Kleinproduktionsgebiets über die Gesamtfläche des KPG errechnet wurde. Sie gibt die durchschnittliche Bonität der Flächeneinheit wieder. Es wurden nun diejenigen Flächen ausgewählt, deren Acker- bzw. Grünlandzahl über dieser regionalen Bodenklimazahl liegt. Darin sind sowohl die besten als auch die mäßig ertragreichen Böden enthalten. Böden mit höchsten Ertragsverhältnissen wurden in jedem Fall mit eingeschlossen. Durch diese Auswahl konnten ca. 75% des gesamtösterreichischen Produktionspotentials erfasst werden.

Dieses Verfahren wurde auf alle Kleinproduktionsgebiete angewandt. Österreichweit wurden so insgesamt 1,125 Mio. ha ausgewiesen, wobei davon derzeit ca. 825.000 ha als Ackerland (entspricht ca. 60% der gesamten ackerbaulich genutzten Fläche) und ca. 300.000 ha als Grünland bewirtschaftet werden.

Im Vergleich der wertvollen landwirtschaftlichen Produktionsflächen mit den übrigen Flächen zeigt sich, dass die produktiven Ackerböden gleichzeitig resilienter gegenüber den Klimaveränderungen sind (Abbildung 9). Der Schutz dieser Flächen ist daher für die Erhaltung der Produktivität der österreichischen Landwirtschaft von besonderer Bedeutung.

Fazit

Aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels auf das Produktionspotential der Böden in Österreich ist davon auszugehen, dass die Importabhängigkeit für landwirtschaftliche Produkte zur Ernährungssicherung zunehmen wird. Die erarbeiteten Ergebnisse untermauern die langjährige Forderung nach einer Verringerung der noch immer hohen Flächeninanspruchnahme und der Definition von Zielen mit konkreten Zahlen. Das auf Basis der Bodenqualität entwickelte Konzept der wertvollen landwirtschaftlichen Produktionsflächen könnte dabei ein wichtiges Instrument für die Raumplanung sein, um auch der Ernährungssicherung mehr Gewicht einzuräumen.

In jedem Fall wäre eine Anpassung von Fruchtfolge und Kulturzeiten, die Auswahl hitze- und trockenresistenter Sorten, die Sicherstellung der Wasserversorgung in Trockengebieten, aber auch eine mögliche Änderung der Ernährungsgewohnheiten von Nöten. Diese Maßnahmen sind sicherlich im Kontext mit der globalen Vernetzung der Agrarproduktion und des Agrarhandels zu sehen. Unabhängig davon sollten aber dringend Maßnahmen gesetzt werden, die die Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Flächen deutlich reduzieren.

Seit Jahren wird von Seiten der Hagelversicherung auf den Massiven Bodenschwund hingewiesen und auch der kleine Koalitionspartner, die Grünen, weist immer wieder auf die notwendigen Änderungen hin. So hat Vizekanzler Werner Kogler in einer Presseaussendung eine „Allianz für Bodenschutz“ angekündigt:

Er wolle sich künftig gegen Bodenversiegelung einsetzen und richtet sich mit diesem Anliegen an die Landeshauptleute. Hinter jeder Ecke lauere in Österreich ein Betonmischer, beschreibt Kogler, und so schnell könne man gar nicht schauen, wäre wieder ein Hektar wertvoller Ackerboden unter Asphalt und Beton begraben.

„Ich lade die Landeshauptleute ein, dass wir mit einer Allianz für Bodenschutz dem ungezügelten Zubetonieren unserer Heimat jetzt ein Ende setzen“, appelliert der Vizekanzler, „Schützen wir die Wiesen, Wälder und die Äcker, auf denen auch noch morgen das Essen für unsere Kinder wachsen soll.“

Drei Punkte für den Bodenschutz

In einer Presseaussendung führte Kogler nun drei Punkte an, die Länder und Gemeinden sofort in ihren Raumordnungen verankern könnten:

  • Die Aktivierung bereits leerstehender Gebäude und brachliegender Geschäftsflächen, anstatt Wiesen für Gewerbeparks und Supermärkte zuzubetonieren. „Das Essen, das dort verkauft wird, muss auch wo wachsen. Vom Asphalt kann keiner abbeißen“, so Kogler.
  • Ein Verpflichtender Umbau großer Asphaltflächen vor Einkaufszentren und Gewerbeparks zu Solarkraftwerken – zum Beispiel mit PV-Modulen überdachte Parkplätze.
  • Gemeinsame Raumplanung als Pflicht. „Falsche Anreize führen dazu, dass der Planungshorizont noch immer die Gemeindegrenze ist“, heißt es in der Aussendung, „Nicht jeder Ort braucht einen eigenen Gewerbepark.“

Zusätzlich zur Verhinderung weiterer Verbauung soll auch die Entsiegelung von „Beton-Sünden der Vergangenheit“ in allen Landesteilen Programm werden. „Parkplätze zu Parks, Gewerbebrachen zu Äcker, Kreisverkehr-Labyrinthe zu Wiesen“, fordert der Vizekanzler.

Jedenfalls ist größte Eile angesagt und auch der größere Regierungspartner, die ÖVP und die Landeshauptleute sind aufgefordert, den Bodenfraß zu stoppen!

Ein weiteres Problem ergibt sich durch die klimawandelbedingten Starkregenereignisse. In einem Artikel von Julia Beirer im Standard vom 20. September 2023, wird darauf hingewiesen:

Schwemmt uns der Starkregen die fruchtbaren Böden weg?

Die Bodenerosion hat sich in Österreich in den vergangenen 70 Jahren verzehnfacht. Woran das liegt und was für Bodenschutz getan werden kann.

Sie können schneller rasen als E-Scooter: Regentropfen. Sie prallen bei Starkregen mit bis zu 40 km/h auf den Boden. Ihre Auswirkungen sind für Betonböden freilich unerheblich, landen die winzigen Wasserbomben hingegen auf erdigen Äckern, kann der Boden erodieren. Dabei brechen einzelne Partikel aus dem Bodengefüge, die es mit dem abfließenden Regen in den nächsten Bach schwemmt.

Umso trockener der Boden ist, desto heftiger ist auch die Erosion. Dann kann das Wasser kaum im Boden versickern. Dass das ein Problem ist, das in den vergangenen Jahrzehnten immer dringlicher geworden ist, bekommen vor allem Landwirtinnen und Landwirte zu spüren. Denn die oberste Schicht ist mit dem Humus auch die fruchtbarste – sie versorgt Mais, Kartoffeln oder Zuckerrüben mit Nährstoffen.

„Bodenerosion ist mittlerweile EU-weit eine der wichtigsten anerkannten Bodenbedrohungen“, sagt Thomas Weninger. Er forscht gemeinsam mit Elmar Schmaltz am Institut für Kulturtechnik und Bodenwasserhaushalt in Petzenkirchen in Niederösterreich. Das Institut ist als Teil des Bundesamts für Wasserwirtschaft dem Landwirtschaftsministerium zugehörig. An der Messstation in Petzenkirchen wird seit 1946 täglich eine Wasserprobe entnommen. Neben Temperatur und Wasserstand messen die Forscher auch die Menge der Bodenpartikel im Wasser.

Schwindender Boden

Rund ein Sechstel der österreichischen Ackerböden überschreiten den jährlichen Schwellenwert der tolerierbaren Bodenerosion und seien somit gefährdet, weiß Schmaltz. Dass der Boden schwindet, belege zudem auch eine vom Institut durchgeführte Studie. Dieser zufolge hat sich die Bodenerosion in den beiden Vergleichszeiträumen von 1946 bis 1954 und 2002 bis 2017 verzehnfacht, berichtet Schmaltz.

„Der Hauptgrund ist aber nicht vermehrter Starkregen“, sagt Schmaltz. Erosive Niederschläge sind laut dem Wissenschaftler in den vergangenen Jahren zwar tendenziell sowohl häufiger als auch intensiver geworden – in der Messstation Petzenkirchen konnte aber noch kein signifikanter Anstieg erfasst werden.

Was sich seit 1954 aber sehr wohl signifikant verändert habe: Die Äcker sind größer geworden, dadurch fehlen natürliche Barrieren wie etwa Hecken, die den Wasserfluss aufhalten; außerdem werden heute mehr „bodenerodierende Kulturen“ wie Mais, Kartoffeln, Zuckerrüben, Kürbis oder Sonnenblumen angebaut. „Mais etwa ist eine klassisch erosionsgefährdende Feldfrucht“, sagt Schmaltz. Sie werde erst im April oder Mai eingepflanzt und brauche relativ lange, bis sie sich entwickelt hat. Die Pflanze ist also relativ lang klein, und in dieser Zeit bleiben die Zwischenräume zwischen den Pflanzen unbedeckt.

Mehr Grün, mehr Boden

„Erosionsschutzmaßnahmen sind ausbaubar in Österreich, aber sie werden immer mehr“, sagt Schmaltz. Er testet rund um die Wasserentnahmestelle in Petzenkirchen mit lokalen Bäuerinnen und Bauern Methoden, um den Boden zu schützen. Eine davon ist der sogenannte begrünte Abflussweg.

Kurz erklärt ist das ein mit Gras eingesätes Feld, umgeben von Äckern, die im Hang liegen. Wenn es regnet, rinnt das Wasser inklusive Bodensediments nach unten und wird durch den begrünten Abflussweg durch die Pflanzen gebremst. Dadurch verringere sich die sogenannte Transportkapazität und damit die Möglichkeit, Bodensediment mit sich zu reißen. Laut Schmaltz bekommen Landwirtinnen und Landwirte Entschädigungszahlungen für derartig begrünte Abflusswege. In Petzenkirchen hat Schmaltz erst vergangenen April einen begrünten Abflussweg mit einer Fläche von 2,1 Hektar ausgesät.

Eine Möglichkeit der Wasserspeicherung und gegen Bodenerosion ist die Dammkultur

Die grüne Pflanze und die lebendige Wurzel zwischen den Ackerpflanzen ist eine vielversprechende Maßnahme, sagt auch Weninger, „gerade im Osten, wo das Wasser in gewissen Perioden im Jahr zur Mangelware wird, ist es ein Problem, wenn die Regentropfen nicht im Boden versickern können“. Die Pflanze hingegen bremse den Regen, er verliere Energie und könne leichter vom Boden aufgenommen werden, erklärt der Forscher.

Erdhügel im Erdäpfelfeld

Eine andere Maßnahme sind Querdämme im Kartoffelfeld. Zur Erklärung: Erdäpfel werden in Reihen angebaut. Dafür werden Erdhügel über den gesamten Acker gezogen und die Kartoffeln eingepflanzt. Rechts und links neben den Hügeln entstehen Furchen, in denen sich Wasser – und vor allem Starkregen – schnell sammeln und „entsprechend viel Bodenmaterial mit sich reißen kann“, sagt Schmaltz.

Um das zu verhindern, empfiehlt er Querdämme, sprich kleine Erdhügel im Abstand von bis zu einem Meter, in die Furchen zu setzen. „Sie stauen Wasser und Sediment“, sagt Schmaltz. Messungen an unterschiedlichen Standorten hätten ergeben, dass innerhalb von drei Jahren durchschnittlich bis zu 90 Prozent weniger Bodenerosion stattgefunden hat.

Allerdings ist die Umsetzung der Methode kostenintensiv. Landwirtinnen und Landwirte benötigen dafür ein Gerät, das an den Traktor angehängt wird. Bisher hätten daher eher landwirtschaftliche Pioniere diese Technik angewandt, doch laut Schmaltz ändere sich das gerade. Das Österreichische Programm für umweltgerechte Landwirtschaft, kurz Öpul, wurde nämlich um Bodenschutzmaßnahmen ergänzt. Im Rahmen dieses Programms bekommen Landwirtinnen und Landwirte Entschädigungszahlungen für Aufwendungen wie etwa Bodenschutzmaßnahmen. Laut Schmaltz seien Entschädigungen bereits für über 8.000 Kartoffeläcker beantragt worden – zuvor seien es nur einige 100 gewesen.

Wasserlöcher graben

Während die beiden Forscher in Petzenkirchen messen und testen, werden Landwirtinnen und Landwirte teilweise auch selbst aktiv und kreativ. Ein Landwirt im Laaer Becken im nördlichen Weinviertel etwa hat unter einem Acker ein Loch gegraben, das sich im Fachbegriff Retentionsmulde nennt. Bei Regen wird der Wasserfluss hangabwärts in die Mulde geleitet und das Sediment gesammelt. Während Trockenperioden könnte das Wasser wieder entnommen werden, sofern der Versuch gelingt. Der Ansatz sei auf jeden Fall interessant, vor allem weil das Laaer Becken eine der wasserärmsten Regionen Österreichs sei, wie Weninger betont. Ob es in der breiten Masse umsetzbar ist, können die Forscher allerdings noch nicht sagen.

Dass der Boden ohne entsprechende Schutzmaßnahmen resilient genug ist, um sich nach extremen Wetterereignissen selbst zu erholen, darauf wollen es die beiden Forscher jedenfalls nicht ankommen lassen. Wie schnell sich Boden neu bildet, hänge nämlich auch stark davon ab, wie er landwirtschaftlich bewirtschaftet wird. (Julia Beirer, 20.9.2023)

Als letzte Meldung:

Das Boden-Monitoringgesetz in Österreich   Datum: Mittwoch, 18. Oktober 2023 / 9:00 – 17:30
Donnerstag, 19. Oktober 2023 / 9:00 – 13:30
 Ort: AIT, Konrad-Lorenz-Straße 24, 3430 Tulln an der Donau oder ONLINE via Livestream
 Thema: Der Vorschlag zum EU Boden-Monitoringgesetz (Soil Monitoring Law)
Perspektiven und Konsequenzen für eine Umsetzung in Österreich 
 

https://secure.umweltbundesamt.at/webgis-portal/beat/index.html

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